Zusammenfassung des Urteils KV-Z 2018/5: Versicherungsgericht
Die Klägerin forderte Krankentaggeldleistungen von der AXA Versicherungen AG, da sie ab dem 1. Februar 2018 weiterhin zu 100% arbeitsunfähig sei. Die Beklagte argumentierte, dass die Klägerin spätestens seit Mitte Oktober 2017 in einer adaptierten Tätigkeit voll arbeitsfähig war. Nach umfassender medizinischer Abklärung und Beurteilung durch Ärzte war die Klägerin jedoch überwiegend wahrscheinlich seit Oktober 2017 zu 100% arbeitsfähig in einer adaptierten Tätigkeit. Die Beklagte war nicht verpflichtet, eine längere Übergangsfrist zu gewähren. Die Klage wurde abgewiesen, es wurden keine Gerichtskosten erhoben, und es wurde keine Parteientschädigung zugesprochen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | KV-Z 2018/5 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | KV - Krankenversicherung |
Datum: | 04.12.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Krankentaggeld, VVG-Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung. Die Einstellung der Taggeldleistungen erweist sich als rechtmässig, da über diesen Zeitpunkt hinaus eine Arbeitsunfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Die Ansetzung einer Übergangsfrist war bei der arbeitslosen Klägerin entbehrlich. Abweisung der Klage (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 4. Dezember 2019, KV-Z 2018/5). |
Schlagwörter: | Arbeit; Arbeitsunfähigkeit; Versicherung; Beweis; Parteien; Arbeitsfähigkeit; Anspruch; Beurteilung; Krankentaggeld; Abklärung; Klage; Taggeld; Ärzte; Sicht; Krankenversicherung; Gericht; Tatsache; Kliniken; Valens; Kommentar; Recht; Bewegungsstörung; Einschränkung; Beklagte |
Rechtsnorm: | Art. 157 ZPO ;Art. 197 ZPO ;Art. 21 ATSG ;Art. 247 ZPO ;Art. 61 VVG ;Art. 87 VVG ; |
Referenz BGE: | 130 III 3; 133 III 439; 138 III 2; 138 III 558; 141 III 241; |
Kommentar: | Thomas Sutter, Franz Hasenböhler, Thomas Sutter-Somm, Christoph Leuenberger, Sutter-Somm, 3. Aufl. Zürich, Basel, Genf [nachfolgend ZPO Kommentar], Art. 153; Art. 247 ZPO, 2016 |
Besetzung
Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider und Miriam Lendfers; Gerichtsschreiberin Katja Meili
Geschäftsnr. KV-Z 2018/5
Parteien
,
Klägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Mag. iur. Ernst Michael Lang, Zinggenstrasse 3, 9443 Widnau,
gegen
AXA Versicherungen AG, General-Guisan-Strasse 40, Postfach 357, 8401 Winterthur,
Beklagte, Gegenstand Krankentaggeld Sachverhalt
A.
A. war seit 1. Oktober 2015 bei der B. AG als Maschinenbedienerin tätig und dadurch bei der AXA Winterthur (nachfolgend: AXA) krankentaggeldversichert. Am
9. März 2017 meldete die Arbeitgeberin der AXA, die Versicherte sei vom 2. Februar bis
7. März 2017 zu 100% und seit 8. März 2017 zu 50% arbeitsunfähig gewesen (act. G1.2, G7.4). Die AXA entrichtete Taggelder (vgl. act. G7.31).
Die zuständigen Ärzte des Landeskrankenhauses C. listeten in ihren Berichten vom 10. bzw. 14. Juli 2017 als Diagnosen ein Klippel-Feil-Syndrom, eine Dysplasie des Sakrums mit ISG-Ankylose links und diskreter ISG-Arthrose rechts, chronische Lumbalgien seit Oktober 2016 sowie multiple Segmentations- und Formationsstörungen der Halswirbelsäule (HWS) auf (act. G1.6, 1.9).
Die Arbeitgeberin löste das Arbeitsverhältnis per 31. Juli 2017 auf (act. G1.3).
Am 21. August 2017 wurde in den Kliniken Valens im Auftrag der AXA eine interdisziplinäre (internistisch, rheumatologisch, ergonomisch) arbeitsspezifische Abklärung durchgeführt. Die zuständigen Ärzte stellten fest, der Arbeitsversuch mit einem Pensum von 50% ab 8. März 2017 habe abgebrochen werden müssen. Seit dem 12. März 2017 bestehe wieder eine Arbeitsunfähigkeit von 100% für die angestammte Tätigkeit. Aus rein rheumatologischer Sicht wäre die Versicherte in einer leichten bis mittelschweren Tätigkeit mindestens zu 50% arbeitsfähig mit einer Steigerung innerhalb von sechs Wochen auf 100%. Eine neurologische und eine psychiatrische Beurteilung sollten noch erfolgen (act. G7.12). Die zuständigen Ärzte des Landeskrankenhauses C. berichteten am 12. September 2017 über tic-artige,
ruckförmige unwillkürliche Bewegungen der Halswirbelsäule (act. G1.6). Dr. med.
D. , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, hielt am 30. Oktober 2017 fest, aus rein neurologischer Sicht sei keine Arbeitsunfähigkeit gegeben (act. G7.15).
Vom 8. bis 13. November 2017 befand sich die Versicherte stationär im Landeskrankenhaus E. . Die dort behandelnden Ärzte listeten als Entlassungsdiagnosen eine rezidivierende dysrhythmische Bewegungsstörung des Halses bzw. des Kopfes (ICD-10: G45.9), eine bekannte Skoliose der Halswirbelsäule (HWS), eine Agnosie des hinteren Atlasbogens, eine Deformierung des dritten HWS- Wirbels sowie eine Dysplasie der Intervertebralgelenke und der dorsalen Wirbelanteile bei bekanntem Klippel-Feil-Syndrom auf (act. G1.17).
Dr. med. F. , Facharzt für Orthopädie, befand am 30. November 2017, aus fachärztlich orthopädischer Sicht bestehe eine Arbeitsunfähigkeit von 100%. Solange die ausgeprägten Bewegungsstörungen nicht sicher abgeklärt seien, könne die Versicherte ihre Arbeit nicht wiederaufnehmen. Dr. F. hatte ihr bereits vom 30. Juni bis 1. Oktober 2017 eine Arbeitsunfähigkeit von 100% attestiert (act. G1.4). RAD-Arzt Dr. med. G. , Facharzt für Chirurgie, beurteilte am 4. Dezember 2017 gestützt auf die Akten, medizinisch-theoretisch sei die Versicherte in einer adaptierten Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig. Ihre angestammte Tätigkeit sei ihr auf Dauer nicht mehr zuzumuten (act. G1.18).
Vom 17. bis 23. Dezember 2017 und vom 26. Dezember 2017 bis 7. Januar 2018 befand sich die Versicherte stationär im Kurzentrum H. (act. G1.4).
Am 3. Januar 2018 hatte die IV-Stelle der Versicherten mitgeteilt, sie habe keinen Leistungsanspruch, da in der Zwischenzeit wieder eine volle Arbeitsfähigkeit bestehe (act. G7.19).
Mit Schreiben vom 11. Januar 2018 führte die AXA gegenüber der Versicherten aus, medizinische Abklärungen seitens der Invalidenversicherung hätten ergeben, dass sie ab sofort in einer angepassten und zumutbaren Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig sei. Damit sie Zeit habe, sich neu zu orientieren, räume die AXA ihr eine Übergangsfrist bis zum 31. Januar 2018 ein. Danach erhalte sie von ihr kein Krankentaggeld mehr (act. G1.14). Die Invalidenversicherungs-Stelle für Versicherte im Ausland (IVSTA) informierte
die Versicherte am 1. Mai 2018 dahingehend, dass sie erneut in die Abklärungsphase des Gesuches um IV-Rentenleistungen eintrete (act. G1.15, vgl. act. G7.23). Die AXA hielt mit Schreiben vom 24. Mai 2018 vorerst an ihrer Leistungseinstellung per 31. Januar 2018 fest (act. G1.16).
Dr. F. bescheinigte der Versicherten in mehreren Attesten vom 15. Januar bis 2. September 2018 eine Arbeitsunfähigkeit von 100% (act. G1.4). Am 20. November 2018 hielt er fest, es bestehe eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für diverse aufgelistete Tätigkeiten (act. G1.13).
Die IVSTA hatte das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 19. November 2018 abgewiesen (act. G7.26).
B.
Am 17. Dezember 2018 erhob die Versicherte (nachfolgend: Klägerin) die vorliegende Klage gegen die AXA (nachfolgend: Beklagte). Sie beantragte darin, die Beklagte sei zu verpflichten, ihr für die Zeit ab 1. Februar 2018 bis zum bedingungsgemässen Anspruchsende Krankentaggelder in Höhe von monatlich Fr. 2'711.92 nebst Zins zu 5% ab der jeweiligen Fälligkeit zu bezahlen; alles unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Sie machte geltend, die medizinischen Untersuchungen seien bislang nicht abgeschlossen worden. Es bestehe eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit, insbesondere in ihrer angestammten Tätigkeit, weshalb die Beklagte leistungspflichtig sei (act. G1).
Mit Klageantwort vom 2. April 2019 beantragte die Beklagte die vollumfängliche Abweisung der Klage; unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Sie brachte vor, die Klägerin sei spätestens seit Mitte Oktober 2017 in einer adaptierten Tätigkeit voll arbeitsfähig gewesen. Die Beklagte sei aufgrund der Schadenminderungspflicht berechtigt gewesen, ab Februar 2018 bei der Festlegung des Taggeldes die Arbeitsfähigkeit der Klägerin in einer beschwerdeadaptierten Funktion zu berücksichtigen. Die Klägerin sei arbeitslos gewesen, weshalb sich die Gewährung einer angemessenen Übergangsfrist erübrigt habe (act. G7).
Die Parteien verzichteten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (act. G8 ff.).
Mit Eingabe vom 8. Mai 2019 teilte die Beklagte mit, die Klägerin habe im Zeitraum vom 4. März bis 1. September 2018 von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse (VGKK) Krankengelder im Betrag von insgesamt 8'168.16 Euro bezogen. Sollte eine leistungsbegründende Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2018 ausgewiesen sein, wäre diese Summe von einem entsprechenden Taggeldanspruch in Abzug zu bringen (act. G9).
In ihrer Replik vom 11. Juni 2019 änderte die Klägerin ihr Rechtsbegehren insofern, als sie für die Zeit ab 1. Februar 2018 bis zum bedingungsgemässen Anspruchsende Krankentaggelder beantragte und deren Umfang sowie die Fälligkeit für diverse Zeiträume separat auflistete. Sie führte aus, bei den geschuldeten Krankentaggeldern sei der erhaltene Ersatzbetrag der VGKK bzw. des österreichischen Arbeitsmarktservices (AMS) zu berücksichtigen (act. G11).
Mit Duplik vom 20. September 2019 hielt die Beklagte an ihrem Antrag fest (act. G17).
Erwägungen 1.
Zwischen den Parteien umstritten und vorliegend zu prüfen ist der Anspruch der Klägerin auf Taggeldleistungen der Beklagten über den Zeitpunkt der Leistungseinstellung vom 31. Januar 2018 hinaus.
Das vorliegende Verfahren beschlägt Leistungen aus einer Zusatzversicherung zur sozialen Krankenversicherung. Die Versicherungsbedingungen und -leistungen richten sich insbesondere nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB), Ausgabe Juli 2010 (vgl. act. G7.28), und der Police vom 21. November 2014 (act. G7.30).
Gemäss den Schlussbestimmungen J1 der AVB kann der Versicherungsnehmer bzw. der Anspruchsberechtigte betreffend die Deckungen gemäss dem Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) Klage an seinem schweizerischen Wohn- Arbeitsort in Winterthur erheben (act. G7.28). Mit dem Arbeitsort der Klägerin im Kanton St. Gallen ist die örtliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen gegeben.
Das Versicherungsgericht entscheidet gemäss Art. 9 des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (EG-ZPO; sGS 961.2) in Verbindung mit Art. 7 der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) als einzige kantonale Instanz über Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10). Darunter werden praxisgemäss auch Zusatzversicherungen subsumiert, auf die das VVG zur Anwendung gelangt (vgl. etwa BGE 138 III 2 E. 1.1). Damit ist vorliegend auch die Voraussetzung der sachlichen Zuständigkeit erfüllt.
Vor der Klageanhebung beim Versicherungsgericht muss kein Schlichtungsverfahren gemäss Art. 197 ff. ZPO durchgeführt werden (vgl. BGE 138 III 558 E. 4.6).
Die Eintretensvoraussetzungen sind somit erfüllt und auf die Klage ist einzutreten.
2.
Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung unterstehen gemäss Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend die Aufsicht über die soziale Krankenversicherung (KVAG; SR 832.12) dem VVG. Streitigkeiten aus solchen Versicherungen sind privatrechtlicher Natur (BGE 133 III 439 E. 2.1). Nach Art. 243 Abs. 2 lit. f ZPO gilt für vermögensrechtliche Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach KVG ohne Rücksicht auf den Streitwert das vereinfachte Verfahren.
Art. 247 Abs. 2 ZPO sieht vor, dass das Gericht den Sachverhalt im vereinfachten Verfahren von Amtes wegen feststellt. Im Anwendungsbereich dieses beschränkten Untersuchungsgrundsatzes hat die Initiative für die Beweiserhebung primär von den Parteien auszugehen, denen es obliegt, die abzunehmenden Beweise zu bezeichnen und entsprechende Beweisanträge zu stellen. Die Mitwirkung des Gerichts besteht in der Ausübung seiner Fragepflicht, indem es die Parteien dazu auffordert, (weitere) Beweismittel beizubringen zu bezeichnen. Von sich aus kann das Gericht Beweis abnehmen, wenn sich aus den Sachvorbringen einer Partei ergibt, dass mit einem Beweismittel eine entscheidrelevante Tatsache bewiesen werden könnte, aber kein entsprechender Beweisantrag gestellt worden ist (Franz Hasenböhler in: Thomas Sutter-Somm/Franz Hasenböhler/Christoph Leuenberger [Hrsg.], ZPO Kommentar,
3. Aufl. Zürich/Basel/Genf 2016 [nachfolgend ZPO Kommentar], Art. 153 N 5 ff.; Bernd Hauck in: ZPO Kommentar, Art. 247 N 33). Im Zivilprozess gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 157 ZPO). Das Gericht hat bei der Bewertung der erhobenen Beweise unabhängig von abstrakten Regeln nach seiner eigenen Überzeugung darüber
zu befinden, ob es eine behauptete Tatsache als wahr unwahr einstuft. Dabei bleibt es dem Gericht überlassen, die Kraft eines Beweismittels nach seiner Überzeugung festzulegen (vgl. Franz Hasenböhler in: ZPO Kommentar, Art. 157
N 14 ff.).
Nach Art. 8 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB; SR 210) hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw. rechtsvernichtenden rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die den Untergang des Anspruchs behauptet dessen Entstehung Durchsetzbarkeit bestreitet (m.w.H. BGE 141 III 241 E. 3.1). Da der Nachweis rechtsbegründender Tatsachen im Bereich des Versicherungsvertrags regelmässig mit Schwierigkeiten verbunden ist, geniesst die anspruchsberechtigte Person insofern eine Beweiserleichterung, als sie nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des geltend gemachten Versicherungsanspruchs darzutun hat. Beim Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist verlangt, dass die Möglichkeit, es könnte sich auch anders verhalten, zwar nicht ausgeschlossen ist, sie aber für die betreffende Tatsache weder eine massgebende Rolle spielen noch vernünftigerweise in Betracht fallen darf (Urteil des Bundesgerichts vom 11. März 2015, 4A_516/2014, E. 4.1 mit Hinweis u.a. auf BGE 130 III 3 25 E. 3.3).
Das grundsätzlich anwendbare VVG enthält mit Ausnahme von Art. 87 VVG, der das selbstständige Forderungsrecht des Begünstigten in der kollektiven Unfall- Krankenversicherung normiert, keine spezifischen Bestimmungen zum Krankentaggeld. Deshalb sind vorab die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien massgebend. Gemäss Bestimmung E7 der AVB bezahlt die Beklagte das Taggeld nach Ablauf der vereinbarten Wartefrist längstens während der in der Police aufgeführten Leistungsdauer, wenn der Versicherte nach ärztlicher Feststellung arbeitsunfähig ist. Bei voller Arbeitsunfähigkeit bezahlt die Beklagte das in der Police aufgeführte Taggeld. Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit richtet sich die Höhe nach dem Ausmass der Arbeitsunfähigkeit; weniger als 25% ergeben jedoch keinen Anspruch (act. G7.28). Arbeitsunfähigkeit ist die durch einen Unfall eine Krankheit bedingte, volle teilweise Unfähigkeit, im bisherigen Beruf Aufgabenbereich zumutbare Arbeit zu leisten. Bei langer Dauer wird auch die zumutbare Tätigkeit in einem anderen Beruf Aufgabenbereich berücksichtigt (Bestimmung A4 Abs. 3 der AVB; act. G7.28). Laut Police beträgt die Wartefrist 30 Tage (act. G7.30).
3.
Die Beklagte richtete bis 31. Januar 2018 Krankentaggelder aus. Sie stellt sich auf den Standpunkt, die Klägerin sei seit spätestens Mitte Oktober 2017 in einer adaptierten Tätigkeit voll arbeitsfähig (act. G7). Die Klägerin ist hingegen der Ansicht, sie sei über besagten Zeitpunkt hinaus weiterhin zu 100% arbeitsunfähig (act. G1).
3.1. Die Arbeitgeberin der Klägerin meldete der Beklagten am 9. März 2017 eine seit 2. Februar 2017 bestehende Arbeitsunfähigkeit (act. G7.4). Am 21. August 2017 beurteilten die abklärenden Ärzte der Kliniken Valens, in der angestammten Tätigkeit bestehe eine Arbeitsunfähigkeit von 100%. Aus rein rheumatologischer Sicht wäre die Klägerin in einer adaptierten Tätigkeit jedoch zu 50% arbeitsfähig mit einer Steigerung innerhalb von sechs Wochen auf 100%. Dies sei jedoch keine abschliessende Beurteilung, da eine neurologische und psychiatrische Stellungnahme noch erfolgen sollten (act. G7.12). Dr. D. befand am 30. Oktober 2017, aus rein neurologischer Sicht sei keine Arbeitsunfähigkeit gegeben. Wie die Beklagte zu Recht geltend macht (act. G17), empfahl Dr. D. zwar weitere neurologische Abklärungen im Landeskrankenhaus E. (act. G7.15), diese ergaben jedoch keine neuen Erkenntnisse (act. G7.16). Dasselbe gilt für den mit der Replik eingereichten Bericht der Universitätsklinik I. vom 29. April 2019, welcher im Übrigen keine Arbeitsfähigkeitsschätzung enthält (act. G11.5). Obwohl Dr. D. als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie dazu qualifiziert gewesen wäre, äusserte er sich (entsprechend der Fragestellung) nicht zu allfälligen psychiatrischen Einschränkungen (act. G7.15). Aus den weiteren medizinischen Akten ergeben sich abgesehen von einer allfälligen psychosomatischen Ursache der Bewegungsstörungen keine Hinweise auf eine psychisch bedingte Beeinträchtigung. Die unwillkürlichen Bewegungen bzw. Zuckungen, welche gemäss der Klägerin noch nicht vollständig abgeklärt sind (act. G1), stehen unabhängig von deren Ursache einer Arbeitsfähigkeit nicht entgegen. Dies zumal sie bereits anlässlich der Abklärung durch die Kliniken Valens auffielen und die Ärzte dies bei ihrer Beurteilung berücksichtigten (vgl. act. G7.12). Daraus ergibt sich eine Arbeitsfähigkeit von 100% in einer adaptierten Tätigkeit spätestens ab der Beurteilung von Dr. D. im Oktober 2017. Dies entspricht auch der Beurteilung von RAD-Arzt Dr. G. vom 4. Dezember 2017, welcher die Klägerin unter Berücksichtigung der Beurteilung der Kliniken Valens in einer adaptierten Tätigkeit als zu 100% arbeitsfähig erachtete (act. G1.18).
Dr. F. befand am 30. November 2017 zwar, aus fachärztlich orthopädischer Sicht bestehe eine Arbeitsunfähigkeit von 100%. Solange die ausgeprägten Bewegungsstörungen nicht sicher abgeklärt seien, könne die Klägerin aus fachärztlicher Sicht ihre Arbeit nicht wiederaufnehmen. Zudem befinde sie sich derzeit in einer intensiven physikalischen Therapie sowie einer psychosomatischen Abklärung, so dass eine zu frühe Wiederaufnahme der Arbeit sich negativ auf den Heilungsprozess auswirken würde (act. G1.4). Diese Beurteilung bezog sich jedoch offensichtlich auf die angestammte Tätigkeit als Maschinenbedienerin, welche auch gemäss den übrigen medizinischen Einschätzungen nicht mehr zumutbar ist (vgl. act. G1.18, G7.12). Weshalb eine adaptierte Tätigkeit, welche die vorliegenden Bewegungsstörungen berücksichtigt, nicht möglich sein sollte, begründete er nicht. Die weiteren Arbeitsunfähigkeitsatteste von Dr. F. enthalten keine Ausführungen dazu, ob sie sich auf die angestammte eine adaptierte Tätigkeit beziehen (act. G1.4). Es ist jedoch von ersterem auszugehen, zumal sie sich nicht zu allfälligen Adaptionskriterien spezifischen Einschränkungen äussern. Am 20. November 2018 führte Dr. F. sodann aus, aufgrund der subjektiv geäusserten Beschwerden und der objektiv erhobenen Befunde bestehe eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit für Heben und Tragen von schweren und mittelschweren Lasten, Arbeiten über Kopf, Arbeiten in Kälte, Nässe Durchzug, häufiges Bücken, Arbeiten in Zwangsstellung des Oberkörpers ohne Abstützmöglichkeiten sowie Tätigkeiten, die ein ständiges Armheben über die Horizontale erforderten (act. G1.13). Daraus lässt sich schliessen, dass Dr. F. die Arbeitsfähigkeit in sämtlichen anderen Tätigkeiten als nicht beeinträchtigt erachtete. Eine allfällige Verbesserung der Leistungsfähigkeit im Vergleich zu früheren Berichten von Dr. F. erwähnt dieser nicht, so dass davon auszugehen ist, dass die Klägerin auch nach seiner Ansicht bereits zuvor in einer adaptierten Tätigkeit arbeitsfähig war. Eine Begründung für eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit lieferte er jedenfalls nicht. In einem weiteren aktenkundigen Bericht (undatiert, entsprechend der chronologischen Aktenführung der Beklagten wohl Frühjahr 2017) hatte er zudem festgehalten, die Klägerin solle sich Gedanken über ihre zukünftige berufliche Tätigkeit machen (act. G7.7). Auch dies spricht für eine Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit.
Zusammengefasst ist damit, insbesondere gestützt auf die umfassende Abklärung
in den Kliniken Valens sowie die Beurteilung von Dr. D. , überwiegend
wahrscheinlich von einer Arbeitsfähigkeit von 100% in einer adaptierten Tätigkeit spätestens seit Oktober 2017 auszugehen. Weitere medizinische Abklärungen erübrigen sich.
4.
Weiter ist zu prüfen, ob die Beklagte der Klägerin eine längere Übergangsfrist zur Aufnahme einer adaptierten Tätigkeit hätte gewähren müssen.
Die oben (E. 2.4) erwähnte Bestimmung A4 Abs. 3 der AVB entspricht dem allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Grundsatz der Schadenminderungspflicht, welcher sich auch in Art. 6 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) findet (vgl. auch Art. 61 VVG). Dieser gebietet, dass die versicherte Person nach Eintritt des Schadens alle ihr möglichen und zumutbaren Massnahmen zu treffen hat, um diesen zu mindern zu beheben. Er umfasst auch die Pflicht zur Annahme einer möglichen Arbeit. Eine Taggeldversicherung dient dem Einkommensersatz und löst die Lohnfortzahlungspflicht eines Arbeitgebers nur soweit und solange ab, als es dem Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, die vertraglich übernommenen Verpflichtungen zum Teil ganz zu erfüllen aber eben anderweitig erwerbstätig zu sein. Sie ist jedoch nicht dazu bestimmt, einem Leistungsansprecher auch dann einen Lohnausfall auszugleichen, wenn er wieder ein Erwerbseinkommen erzielen könnte (Urteil des Bundesgerichts vom 5. November 2008, 9C_595/2008, E. 4.1). Art. 21 Abs. 4 ATSG hält fest, dass einer versicherten Person Leistungen vorübergehend dauernd gekürzt werden können, wenn sich diese einer zumutbaren Behandlung Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, entzieht widersetzt, wenn sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu beiträgt. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar (Art. 21 Abs. 4 ATSG). Dieser Artikel ist rechtsprechungsgemäss im Bereich der privaten Krankentaggeldversicherung analog anwendbar (Urteil des Bundesgerichts vom 12. Juli 2010, 4A_111/2010, E. 3.1). Bei arbeitslosen Versicherten
ist eine besondere Aufforderung durch die Versicherung, sich eine neue Stelle zu suchen, entbehrlich (Urteile des Bundesgerichts vom 19. April 2013, 8C_838/2012, E. 4.2.2, und vom 23. Februar 2015, 8C_889/2014, E. 4.3.2).
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der B. AG wurde per 31. Juli 2017 aufgelöst (act. G1.3). Nach Einstellung der Taggeldzahlungen durch die Beklagte bezog die Klägerin Leistungen des österreichischen Arbeitsmarktservices bzw. der VGKK (act. G1.19 f., G9.1, G11.2, G11.4). Die Klägerin war demnach seit der Kündigung als arbeitslos zu betrachten. Spätestens seit der Beurteilung durch die Ärzte der Kliniken Valens bzw. Dr. D. im Oktober 2017 (act. G7.12, 7.15) hätte sie erkennen können bzw. müssen, dass von ihr verlangt werden durfte, die Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit zu verwerten. Zudem hatte ihr Dr. F. bereits empfohlen, sich Gedanken über ihre zukünftige berufliche Tätigkeit zu machen (act. G7.7). Die Aufnahme einer adaptierten Tätigkeit war der ungelernten Hilfsarbeiterin ohne Weiteres zumutbar.
Damit ist die Leistungseinstellung per 31. Januar 2018 ohne Ansetzen einer Übergangsfrist bzw. lediglich einer solchen von 20 Tagen (vgl. act. G1.14) nicht zu beanstanden.
5.
Gemäss den vorstehenden Erwägungen ist die Klage abzuweisen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 114 lit. e ZPO).
Ausgangsgemäss hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Die Beklagte hat die Zusprache einer Parteientschädigung beantragt (act. G7). Dieses Verfahren wurde von Angestellten ihres Rechtsdienstes geführt, die nicht als berufsmässige Vertreter i.S.v. Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO gelten (vgl. Viktor Rüegg, in Basler Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. Basel 2013, Art. 95 N 18 und Benedikt A. Suter/ Cristina von Holzen, in: ZPO Kommentar, Art. 95 N 36 und N 43, je mit Hinweisen). Daher besteht unter diesem Titel kein Anspruch auf eine Parteientschädigung. Ferner liegt auch kein begründeter Fall gemäss Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO vor, wonach der Beklagten eine angemessene Umtriebsentschädigung zuzusprechen wäre. Ersatz für
notwendige Auslagen gemäss Art. 95 Abs. 3 lit. a ZPO wird ebenfalls nicht geltend
gemacht. Die Beklagte hat daher keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.
Entscheid
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 14 des sankt-gallischen Reglements über Organisation und Geschäftsgang des Versicherungsgerichtes (OrgR; sGS 941.114)
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Für dieses Verfahren wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.